Mücken (Midges)

Wir kommen nun zu einem Problem, das in den offizellen Touristen-Publikationen gerne totgeschwiegen wird. Es handelt sich um einen winzigen kaum millimetergroßen Plagegeist, der aber zusammen mit hunderttausenden seiner Artgenossen eine riesige schwarze Wolke bilden kann, die sich auf der Suche nach einem Wirt erbarmungslos auf alle warmblütigen Säugetiere herabstürzt und diese piesackend in panische Flucht schlägt -- selbst wenn das warmblütige Säugetier in seinem sonstigen Leben ein wagemutiger Outdoor-Experte ist!  Untersuchungen (von denen nicht wenige gleich zur geheimen Verschlusssache erklärt wurden) belegen, dass die highland midge neben dem kühlen und nassen Wetter ein Hauptgrund dafür ist, dass  Leute nach einmal gemachten schlechten Erfahrungen nicht wieder in die Highlands zurückkehren. Wer mir nicht glaubt, der kann ja mal in einer guten Suchmaschine die Stichwörter "Scottish Highlands midges" oder sogar "Schottland Mücken" eingeben und sich die zahlreichen Erlebnisberichte anzeigen lassen. Wie kann man sich effektiv gegen die fiesen Insekten schützen? 

1. Bescheid Wissen

Ein besonders wichtiger Zusammenhang besteht zwischen Feuchtigkeit und Mückenvorkommen. Der Lebenszyklus der midges hängt entscheidend davon ab, dass die Larven und Puppen für ihr Wachstum feuchten Boden benötigen. Daher brüten Mücken hauptsächlich in den Gegenden der Highlands, die eine besonders hohe Niederschlagsmenge aufweisen. Das sind -- großer Stoßseufzer -- leider genau die westlichen Highlands, besonders die Gegend um Fort William, die Isle of Skye und Wester Ross. Da ist es wenig tröstlich zu wissen, dass die Biester ein wichtiger Teil des fragilen Ökosystems der Highlands sind, indem sie weite Landstriche dem intensiven Zugriff der Menschen entziehen, die einst die Wälder abholzten und damit den Lebensraum für die Mücken überhaupt erst schufen -- die midges sind also in gewisser Weise die Rache der Natur gegenüber den menschlichen Eingriffen. Wichtiger ist da schon, dass es die Regenmenge im  Mai und Juni erlaubt, erste Voraussagen über das Ausmaß des Mückenproblems zu machen. Unser Besuchsjahr 2001 zeichnete sich durch einen besonders trockenen und kalten Mai aus -- es gab so gut wie keine Probleme mit midges.  Sind die Monate Mai und Juni dagegen überdurchschnittlich feucht und mild, so sollte man sich bei Anreise im Juli oder August schon einmal darauf einstellen, die kleinen Ungeheuer kennen zu lernen.

Wer ganz sicher gehen will, nicht von den midges belästigt zu werden, der sollte seine Anreise in den Zeitraum Mitte September bis Ende Mai legen. Wie bereits an anderer Stelle gesagt, sind die Monate September und Mai generell keine schlechte Wahl für einen Highland-Urlaub. Wie die momentanen Klima-Änderungen sich auf die Mückenpopulationen auswirken werden, ist derzeit noch unklar. Sollte das Klima nicht nur wärmer sondern auch feuchter werden, dann verschärft sich das Problem, und die Belästigungen dehnen sich weiter ins Frühjahr und in den Herbst hinein aus. 

Beißen tut überhaupt nur das Weibchen, es braucht das Blut nämlich, um seine Eier legen zu können. Dies erklärt auch die Hartnäckigkeit, mit der die Plagegeister ihre menschlichen Opfer quälen.  Neben der Regenhäufigkeit gibt es zwei weitere entscheidende Faktoren, die einen Einfluß auf das Beißverhalten der Mücken haben: Licht und Wind. Die midges verlieren ihre Beißlust, sobald die Lichtintensität über 260 Watt/m² beträgt. Ein Sommertag mit blauem Himmel bringt es mittags auf ca. 800 Watt/m². An so einem Tag beißen Mücken ungefähr zwischen 5 und 7 Uhr morgens und abends nach 21.00 Uhr. Eine geschlossene, tief hängende Wolkendecke kann die Sonnenstrahlung auch tagsüber unter die wichtige 260 Watt-Grenze bringen. Das ist auch der Grund, warum man häufig Luftfeuchtigkeit (Nieselregen) mit Mückenaktivität in Verbindung bringt.  In Wirklichkeit liegt dies eher am Dämmerlicht als am Wassergehalt der Luft. 

Da die Mücken so klein sind, müssen sie bereits ab einer Windgeschwindigkeit von ca. 10 km/h (schwacher Wind/gentle breeze) in Deckung gehen, um nicht unkontrolliert fortgeweht zu werden.

Weitere nicht ganz so wichtige Faktoren sind Geruch und Kleidungsfarbe. Mücken erkennen ihre Opfer am Schweißgeruch; starkes Pfeifenrauchen gilt daher zu Recht als ein durchaus wirksames Gegenmittel. Erwiesen ist auch, dass dunkle Kleidung die Angriffslust der Mücken tendenziell erhöht. 

Aus alledem ergibt sich, dass ein "tödlicher" Tag ungefähr so beschaffen ist: Glen Nevis, Mitte August, Nieselregen, Windstille.  Demgegenüber gibt es auf den äußeren Hebriden kaum Probleme mit Mücken: Dort regnet es zwar noch häufiger als an der schottischen Westküste, aber der fast immer vorhandene starke Wind lässt keine Mückenaktivität zu. 

In Wäldern und geschützten Anpflanzungen wie zB den Armadale Gardens auf Skye oder den Inverewe Gardens in Wester Ross muss in den Sommermonaten immer mit Mücken gerechnet werden.  Die Armadale Gardens waren der einzige Ort, an denen ich während unseres Aufenthaltes im Juni 2001 zur Autanflasche greifen musste. In den Inverewe Gardens gab es zwar auch reichlich midges, aber merkwürdiger Weise schienen diese sich ausschließlich auf die einheimischen Gärtner zu konzentrieren -- die trugen Kopfnetze und waren von einer richtigen Mückenwolke umgeben. Wir dagegen blieben volkommen unbehelligt. Ob die Mücken wohl so was wie eine Stammkneipe haben??? Fragen über Fragen...

2. Schutzmöglichkeiten

Aus dem Gesagten lässt sich unmittelbar der sicherste Schutz ableiten: Mückenorte und -zeiten meiden. Bei Ferienunterkünften nach Möglichkeit solche wählen, die offen in Windrichtung liegen (Westen). Vorsicht bei Campingplätzen in geschützten Tälern,  Osthängen und Häusern in der Mitte von Wäldern. Normale Moskitonetze sind unter Umständen zu grobmaschig, es sei nochmals darauf hingewiesen, dass die Highland midges viel viel kleiner sind als zB skandinavische Mücken. Ein Kopfnetz ist ein wirksamer und ungiftiger Schutz, den man fast überall in den Highlands kaufen kann. Eine Flasche Autan sollte man schon von zu Hause mitnehmen. Es muß flächendeckend auf alle unbedeckten Hautpartien aufgetragen werden. Der in Autan enthaltene Wirkstoff Bayprel (bitte die 20 % - Konzentration wählen) ist halbwegs sicher und ungefährlich in der Anwendung. Man darf halt nur nicht denken, das Zeug wirke etwa auf die Weise, dass nun  eine Käseglocke entstehe, in die keine Mücke eindringt. Sie summen weiter, sie landen weiter, aber sie beißen längst nicht mehr so häufig, und das ist es, worauf es ankommt.

Pfeife Rauchen hilft etwas, ebenso wie ein kräftiges Grillfeuer. Die benötigte Rauchkonzentration ist aber wohl um ein Vielfaches giftiger und gefährlicher als ein vorschriftsmäßig aufgetragenes Mückenschutzmittel. Weitere  nicht gänzlich unwirksame Substanzen sind Citronella und Permethrin. Die vor einigen Jahren als Wundermittel angepriesenen Mückenpiepser haben sich mittlerweile als Humbug erwiesen. Ebenfalls wirksam, aber zumindest für Rollstuhlfahrer nicht sehr praktisch ist der glitschig-ölige Badezusatz "Skin so Soft" von Avon. Man vermutet, dass das Öl mindestens eine aktive Abwehrsubstanz enthält und zusätzlich die kleinen Insekten von der öligen Lotion ganz einfach zugeschmiert  werden.

Quelle: George Hendry, Midges in Scotland, 3. Auflage, Edinburgh, 2000  

 

 

 

 

die Armadale Gardens auf Skye verdanken ihre üppige Vegetation einer geschützten Lage an einem Osthang. Hier und an ähnlich geschützten schattigen Orten muss man immer mit Belästigungen durch highland midges rechnen, denn die kleinen Plagegeister lieben Dämmerlicht, Feuchtigkeit und Windstille

 

 

 Sligachan auf Skye ist bekannt für besonders windige Bedingungen. "...Damals, als uns in Sligachan das Zelt weggeweht ist...."  So mancher Camper kann diese Geschichte aus eigener Erfahrung nacherzählen. Während der Wind das Karstadt-Zelt auseinander nimmt, sorgt er aber auf der anderen Seite begrüßenswerter Weise für  Frieden an der Mückenfront. Was das Zelten angeht -- Skye ist definitiv der falsche Ort für Gelegenheitszelter. Du bist Rollstuhlfahrer? Hör auf Onkel Winfried und suche Dir ein komfortables Bed & Breakfast, denn Wind und Wetter werden Dir schon genug zu schaffen machen. 

 
Exkurs: Gälisch

 

Eines sei gleich vorweg gesagt: Kein Schottland-Urlauber wird während seiner Reise Gälisch-Kenntnisse jemals brauchen. Selbst auf den äußeren Hebriden, wo Gälisch zum Teil noch Alltagssprache ist, lebt heute niemand mehr, der kein Englisch versteht. Diese Ausführungen sind daher eher für Leute gedacht, die neugierig und interessiert sind und ganz einfach gerne ein bisschen mehr wissen wollen über diese merkwürdigen Worte, die Touristen heute vor allem auf den Karten, in Feld- und Bergbezeichnungen finden.

Zunächst ein paar allgemeine Informationen: Gälisch ist eine indo-germanische Sprache, sie gehört wie das eng verwandte irische Gälisch zum keltischen Zweig. Schottisches Gälisch ist die angestammte Sprache der Gaidhealtachd (sprich: „gältochg“) , wie die Highlands auf Gälisch heißen. Es wird heute noch von ca. 50.000 Menschen gesprochen, die Tendenz ist abnehmend, obwohl es seit Mitte der 70er Jahre verstärkte Anstrengungen zum Erhalt der Sprache gibt. 

In den Lowlands um die Großstädte Edinburgh und Glasgow war Gälisch nie wirklich beheimatet, was erklärt, warum Gälisch auch nicht als Landessprache eines autonomen Schottlands in Betracht kommt.

Wenn man in Edinburgh nur Bahnhof von dem versteht, was das Gegenüber einem sagt, dann handelt es sich nicht um Gälisch, sondern um Scots, bei dem sich die Experten darüber streiten, ob es ein Dialekt des Englischen ist oder vielmehr eine selbständige Sprache. 

 Neben gezielten Unterdrückungs- und Zerstörungsversuchen der gälischen Kultur durch die Engländer nach der Niederschlagung des Jacobiteraufstands von 1745/46 hat vor allem die Vertreibung eines Großteils der gälisch sprechenden Highlandbewohner im Rahmen der „Highland Clearances“ zum Niedergang der Sprache beigetragen. Viele Traditionen, die eigentlich gälisch-keltischen Ursprungs sind, wie zum Beispiel das Kilt-Tragen und das Dudelsackspielen, werden heute mit Schottland allgemein in Verbindung gebracht, was nicht von allen Schotten akzeptiert wird. Vermutlich wird Gälisch sich zu einer reinen Kunstsprache entwickeln, die von Wissenschaftlern und Musikern gelernt wird, um das reiche Kulturgut zu studieren und die vielen wunderschönen Volkslieder korrekt vortragen zu können. 

 

Gälisch begegnet dem Touristen vor allem auf Karten, denn in den Highlands haben fast alle Örtlichkeiten gälische Namen oder anglisierte Namen gälischen Ursprungs.
Die sehr enge Verbindung der Gälen mit der Natur, in der sie lebten, hat sich in einer Unmenge an Feld- und Flurbezeichnungen niedergeschlagen, und diese sind wohl das Einzige, womit man als Tourist sicher in Berührung kommt. Oft enthält der gälische Name eine Beschreibung.  Der Ort Edinbane auf Skye heißt zum Beispiel auf Gälisch: „An-t-Aodann Bàn“ (sprich: „an Tschödann Bahn“) – der helle Berghang. Hier einige häufige Wortbestandteile und ihre Bedeutung: 

Wort/Silbe

 

Aussprache

 

Bedeutung

 

Beispiel

 

Bal-, Baile wie geschrieben Ort, Dorf, Stadt Ballachulish bei Fort William (Ort der Meeresenge)
Dùn, Dum- wie geschrieben Burg, Fort, Festung Dun Eideann (gälischer Name für Edinburgh -- Edwins Burg)
Inver- wie geschrieben von gälisch inbhir (sprich "injir") -- Flussmündung Inverness (gälisch Inbhir Nis -- Mündung des Flusses Ness)
Loch wie "Loch" im Deutschen, d.h. mit stimmhaftem ch-Laut am Ende. Das ist nicht nur die gälische, sondern auch die schottische Aussprache, mit der natürlich viele Engländer Probleme haben See, Meeresarm Loch Ness 
Ben, Beinn wie geschrieben Berg Ben Nevis - Berg der Wolken
Kil-, Cil- wie geschrieben, immer mit hartem K-Laut Kirche Kilmarnock - Kirche des Heiligen Marnock
Kin- wie geschrieben von gälisch ceann (sprich "ke-aun") -- Kopf, Ende Kinlochleven - Ende des Loch Leven
 Creag, Craig  wie geschrieben Fels Craigmillar - Fels des Müllers
Glen  wie geschrieben  von Gälisch gleann (sprich "gle-aun") - Tal  Glen Nevis 
Strath nach engl. Ausspracheregeln von Gälisch sràth (sprich "srah") - breites Tal Strathclyde - Tal des Flusses Clyde, Name für den Glasgower Großraum
Allt  Ault  Bach, Sturzbach Allt Mhòr - großer Bach
Meall Me-aull   runder Berg, Bergkuppe Meall Gorm (sprich: "me-aull gorom") -- blaue Kuppe
Ein gälisches Wort, das inzwischen auch Eingang in unsere Alltagssprache gefunden hat, ist clan -- gälisch für Familie, Sippe, Stamm. Clann (sprich "klaun") sind die Kinder. "Sohn" heißt auf Gälisch mac (sprich "machk"). Der Familienname MacDonald -- oder vollständig gälisch MacDomhnaill (sprich "Machkdoall") bedeutet also eigentlich "Sohn des Donald". Auf diese Weise werden Nachnamen bekanntlich auch bei den Friesen und Skandinaviern gebildet (Nielsen, Nielsson = Sohn des Nils). Die Gälen gehen dabei noch einen Schritt weiter, indem die Namensbildung bei weiblichen Familienmitgliedern anders verläuft: Sie bekommen anstatt des Mac ein Nic (nighean -- Tochter) vorangestellt. Wäre der "Highlander" eine Frau, würde sie also nicht MacLeòid, sondern NicLeòid heißen. 

Interessanter Weise machen es einzig die Isländer genauso: Björk heißt zB Gudmundsdottir mit Nachnahmen -- Tochter des Gudmund. Vielleicht kein Zufall, denn bei genetischen Untersuchungen hat man herausgefunden, dass isländische und nordwestschottische Frauen nahezu identische Gene haben. Man vermutet, dass die Isländerinnen von gälischen Frauen abstammen, die von den Wikingern bei ihren Raubzügen gefangen und verschleppt wurden.

Gälische Sätze fangen mit dem Verb an und sehen dann zum Beispiel so aus:
 
Tha taigh agam
sprich: "Hah tai agem" (stimmloses e)
Ist ein Haus bei mir
= Ich  habe  ein Haus

Im Gälischen gibt es nämlich kein Wort für "haben", und man muss es daher mit einer Präpositionalkonstruktion ausdrücken. 

Eine andere sehr fremdartig anmutende Besonderheit des Gälischen ist, dass grammatische Änderungen am Anfang des Wortes stattfinden, und nicht am Ende,  wie bei germanischen und romanischen Sprachen üblich. Die Änderung besteht fast immer in einer sogenannten Lenition (auch: Aspiration), das heißt, der Wortanfang wird durch Einfügung eines "h" "angehaucht". Ein Beispiel: feasgar math (sprich: "fesger mah") bedeutet "Guten Abend". "Guten Morgen" heißt dagegen madainn mhath (sprich: "madinn wah"), weil madainn, Morgen, weiblich ist und das Wort math, gut, durch Aspiration gebeugt wird. 

Bestimmte Sachverhalte darf man im Gälischen nicht direkt ausdrücken, sondern muss zu festgelegten Formeln greifen. Diese Merkwürdigkeit passiert zum Beispiel, wenn man  Eigenschaften von Personen benennen will, wie etwa einen Beruf. "Lehrer" heißt auf Gälisch tìdsear, ein Lehnwort aus dem Englischen, das auch genauso ausgesprochen wird. "Ich bin Lehrer" müsste also eigentlich bei direkter Übersetzung Tha mi tìdsear heißen. Doch weit gefehlt! Statt dessen muss man nämlich sagen:
 
 
S'e tìdsear a th'annam
sprich: "sche tidscher hannem"
Es gibt einen Lehrer, der ist in mir!!!

Damit sei der Gälisch-Exkurs beendet. Wenn es so weit ist und die Sprache ausstirbt, verliert Europa eine der am schönsten klingenden und poetischsten Mundarten.  Hier noch ein paar weiterführende Links: